Interview mit einem Gedenkstättenpädagogen

Hallo Leute! Ich bin Vanessa, 16 Jahre alt, und lebe in Berlin. Ich habe ein Interview mit Paul Stefanowske geführt, der als freier Gedenkstättenpädagoge arbeitet. Dafür reist er an unterschiedliche Gedenkorte in Deutschland und gibt Bildungsseminare. Paul Stefanowske ist 39 und lebt in Berlin.

Vanessa: Was sind das für Gedenkstätten, an denen Sie arbeiten?

Paul Stefanowske: Das sind Orte, an denen man versucht, an den Nationalsozialismus zu erinnern und an die Opfer, die dort überlebt haben oder ermordet wurden. Heutzutage sind diese Orte oft als Museum umgebaut oder es sind nachträglich gestaltete Gedenkorte im öffentlichen Raum.

Vanessa: Wie heißen die?

Das bekannteste ist das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Das ist ein Ort, wo man auch etwas über die Biografien von jüdischen Menschen erfährt, die dort dokumentiert sind. Meistens fahre ich für meine Seminare aber zu Gedenkstätten oder Gedenkorten außerhalb von Berlin. Das sind ehemalige Konzentrationslager, z.B. Sachsenhausen oder Ravensbrück, ein ehemaliges Frauenkonzentrationslager. Das sind Orte, die sich in den letzten 60 Jahren immer wieder verändert haben, wo verschiedene Gedenkorte und Museen entstanden sind und wo verschiedene Zugänge für die Gruppen, die diese Orte besuchen, geschaffen wurden.

Vanessa: Und wie sieht Ihre Arbeit in den Gedenkstätten aus, was machen Sie da?

Paul Stefanowske: Das hängt ganz von der Gruppe ab, die man dort begleitet. In erster Linie sind das Schulklassen, Jugendgruppen oder auch Zivildienstleistende, also Leute so zwischen 15 und Ende 20. Die führt man dann über das Gelände und arbeitet über mehrere Tage zu einem bestimmten Thema. Zum Teil können die Teilnehmer das Thema mitbestimmen. Bei Schulklassen hat der Lehrer immer ein Interesse daran, was dort vermittelt werden soll. Trotzdem versuchen wir da einen anderen Zugang zu wählen. In der Gedenkstätte Ravensbrück zum Beispiel begleiten wir Jugendliche, die in Kleingruppen über mehrere Tage zu Biographien von überlebenden Frauen arbeiten, die während oder nach ihrer Zeit im Lager künstlerisch tätig waren. Sie haben damit versucht auszudrücken, was sie dort erlebt haben und erleiden mussten.

Vanessa: Übernachten die Jugendlichen dann auch da?

Paul Stefanowske: In Ravensbrück übernachten die dann auch vor Ort. Das ist natürlich auch ein spezielles Thema, denn sie übernachten in einer Jugendherberge, in Gebäuden, in dem früher während des Nationalsozialismus die Aufseherinnen gelebt haben, die im Konzentrationslager für die SS gearbeitet haben. Man übernachtet also an einem Täterort, wenn man so will, und muss sich natürlich auch damit auseinandersetzen, wie die Täterinnen sich an diesem Ort gegenüber den Häftlingen verhalten haben.

Vanessa: Hatten Sie auch schon mal Nazis in Ihren Seminaren?

Paul Stefanowske: Ich hatte schon mal Jugendliche, die sich mit der rechten Szene identifiziert haben. Man muss sich mit der rechten Szene natürlich auseinandersetzen und auch überlegen, wo kommen die her, was wollen die dort. Und im Umfeld von Gedenkstätten gibt es diese rechte Szene meistens ja auch.

Vanessa: Was machen Sie, wenn Schüler rechte Sachen sagen?

Paul Stefanowske: Da muss man natürlich gegen vorgehen. Das kann man natürlich versuchen, aufklärerisch zu machen, indem man zum Beispiel aufzeigt, dass Klamotten und Abzeichen mit nationalsozialistischer Besinnung oder andere rechte Symbole und Musik an einer Gedenkstätte nichts zu suchen haben. Am besten ist es, wenn einige Schüler aus der Klasse selber erkennen, dass diese Symbole an einem Ort des Schreckens, wie das KZs waren, nichts verloren haben, weil sie die Opfer verhöhnen. Das ist etwas, was die meisten auch schnell einsehen. Aber es führt nicht unbedingt dazu, dass ihre rechten Mitschüler dann ihre Gesinnung aufgeben. Aber es ist eine Grenze, die sie mal erfahren müssen, die auch zeigt, dass es in einer demokratischen Gesellschaft nicht angesagt ist, diese rechte Kultur offen zur Schau zu tragen, da diese nationale Gesinnung, ja genau diese Werte von Achtung und Menschenwürde missachtet.

Vanessa: Macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?

Paul Stefanowske: Ja, die Arbeit macht z. Z. relativ viel Spaß. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass ich gerade mit vielen Jugendgruppen arbeite, die sich freiwillig anmelden und die am Thema: Kunst als Zeugnis* auch gestalterisch interessiert sind. Das sind Leute, die gerade ein freiwilliges soziales Jahr machen und Gruppen aus Jugendzentren, die gerade zum Thema arbeiten und mehr erfahren wollen. Die nehmen sich Zeit und bleiben dort zwei, drei Tage, um dann auch selber ein politisches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Nationalsozialismus zusetzen.

*siehe auch Link: www.fritz-bauer-institut.de